…Kapitän sein, dagegen sehr!

M/S „MARC-ANDRÉ“ 16.6.-29.10.2013

 

Prolog

„Frau Beuse, könnten Sie sich denn vorstellen, demnächst auch als Kapitän bei uns zu fahren?“  fragt die Stimme meines Reeders aus dem mir vom Kapitän der „ANDRÉ W.“ zugereichten Bordhandys. Mit Kloß im Hals bejahe ich die Frage. Das, wovon ich so lange geträumt hatte, wofür ich die Mühen von Studium und mancher nicht einfachen Fahrtzeit auf allen möglichen Schiffen auf mich genommen hatte, ist nun tatsächlich in erreichbare Nähe gerückt. Es würde demnächst eine Kapitänsstelle in der Reederei frei und wenn ich denn wolle, könne ich diese bekommen. Bis dahin solle ich meinen derzeitigen Aufenthalt als Chiefmate an Bord der „ANDRÉ W.“ nutzen, mich in alle Aufgaben des Kapitäns einzuarbeiten und vor allem das Manövrieren zu üben.

Heiner, der Kapitän der „ANDRÉ W.“ setzt den Plan dann auch gleich in die Tat um und erklärt mir, dass ich ab sofort alle Manöver fahren soll und er mir mit Rat und notfalls auch Tat zur Seite stehen werde. Und so beginne ich, darüber nachzudenken, wie ich denn das Schiff von der Pier ab und in das Fahrwasser hinein gedreht bekomme. Wir sind in Kaskinen/Finnland. Es ist Winter und alles ist vollkommen vereist. Wir haben einen Lotsen dabei, der das Manöver mit mir zusammen durchführen wird. Und das Schiff verfügt über sehr gute Manövriereigenschaften, denn es ist mit Verstellpropeller und kräftigem Bugstrahler ausgestattet. Alles geht gut. Am Ende war es gar nicht so schwer.

Nach einigen sehr intensiven Wochen an Bord der „ANDRÉ W.“ und 3 Monaten Urlaub ist nun der Moment gekommen, wo ich tatsächlich das Kommando auf einem Frachtschiff übernehmen soll. Es handelt sich dabei um die „MARC-ANDRÉ“, einem 2500 BRZ großen modernen Mehrzweckfrachter. Das Schiff kommt mit einer Ladung Sojamehl aus Amsterdam und ist auf dem Weg nach Gdynia. Ich soll in Brunsbüttel einsteigen und während der Kanalpassage von meinem Kollegen übernehmen. Die Gefühle sind gemischt: Stolz, Enthusiasmus, Glück – aber auch Bedenken, ob ich der Aufgabe tatsächlich gewachsen sein werde, ob die Vorbereitung ausreichend war, welche Fettnäpfchen auf mich warten werden…

18.06.13, Gdynia Reede

Der erste Tag als Kapitän der „MARC-ANDRÉ“ ist überstanden. Nach dem üblichen Übergabe-Kamikaze im Nordostseekanal (das Schiff war nachts um 3 in Brunsbüttel angekommen…) hatte ich kurz vor Erreichen der Schleuse in Holtenau das Kommando von meinem Kollegen übernommen. Auslaufen in Holtenau dann ausnahmsweise mal mit Lotse. Nicht dass gleich in den ersten Minuten etwas schief geht und die Sache als kürzestes Kommando in die Geschichte der Reederei eingeht. Langsam aber sicher erobere ich die Brückentechnik. Es ist alles wie auf dem Schwesterschiff „YVONNE“, wo ich im vorigen Jahr 4 Monate als Chiefmate gefahren war. Nur das ist halt schon 1 Jahr her und die Anordnung der einzelnen Komponenten und Knöpfe ist dann doch etwas anders. Aber schon bald fühle ich mich wie zu Hause. Mal abgesehen davon, dass ich gelegentlich an meiner Kammer vorbei laufe. Der Kapitän hat hier ein ganzes Deck für sich – und dieses ist in der Regel eine no-go Zone für den Rest der Crew. Auch ist es noch sehr gewöhnungsbedürftig für mich, mit „Käpt’n“ und „Sie“ angesprochen zu werden.  Aber wir sind inzwischen gut in Gdynia, dem Ziel unserer ersten Reise, angekommen. Zur Zeit liegen wir am Anker und warten darauf, dass unser Liegeplatz im Hafen frei wird .

25.06.2013 Querab Öland / Schweden

Die erste Woche als Kapitän ist überstanden. Das Löschen in Gdynia verlief ereignislos. Danach dann die neue Reiseorder: es geht nach Italien. Wir sollen in Mönsteraas Zellulose für Genua laden. Zunächst gilt es erst einmal Mönsteraas zu finden. Dann die Frage beantworten: Lotse oder nicht. Schiffe unter 90 m Länge dürfen den Hafen ohne Lotsen anlaufen. Wir sind – nicht ohne Grund – 89.99 m lang. Soll ich es wagen, oder soll ich doch lieber professionelle Hilfe hinzu ziehen. Die kostet natürlich Geld und der Reeder sieht es gerne, wenn seine Kapitäne solche Häfen alleine anlaufen. Nach längerem Studium der Seekarten und Handbücher entscheide ich mich für den Alleingang. Irgendwann muss es das erste Mal sein. Das Wetter ist gut, das Schiff in Ballast, der Steuermann fähig. Das Fahrwasser ist dann auch gar nicht so schwierig. Allerdings ist der zugewiesene Ankerplatz etwas gewöhnungsbedürftig, weil eng und an allen Seiten von Inseln und Untiefen umgeben. Mehr als 3 Kettenlängen Ankerkette stecken ist nicht möglich, weil das Schiff dann beim Schwoien schon gefährlich nahe an diese Hindernisse käme. Daher sind die Ankerwachen auch nicht wirklich entspannt. Und tatsächlich am 2. Tag geht eine Wetterfront durch und in der darin enthaltenen Bö fängt der Anker an zu slippen und das Schiff fängt an, achteraus zu treiben. Zum Glück ist unser Chief Engineer auf Zack und hat die Maschine in nur 3 Minuten gestartet. So hieven wir den Anker und ankern erneut. Diesmal hält er ohne Probleme.

Was macht man 4 Tage in Schweden im Mittsommer vor Anker? Ist doch klar: Laderaum malen, Schiff putzen, Rettungsboot aussetzen und Fahrstunden für die Crew veranstalten, Feuerschutzübung abhalten,… und mit der Crew auf dem Achterdeck grillen. So vergehen auch diese Tage und endlich ruft der Agent an, dass unser Liegeplatz nun frei wird und wir nun anlegen und laden können. Mein erstes Manöver ganz alleine. 4 Tage lang habe ich mir den Liegeplatz mit dem Fernglas beguckt, die Seekarte und die Manöverunterlagen des Schiffes studiert und mir eine Strategie überlegt. Ich habe Glück. Das Wetter spielt mit. Strahlender Sonnenschein, schwache, leicht ablandige Winde, kein Strom. Das Manöver glückt problemlos. Luke auf und los geht es mit Laden.

So viele Dinge, an die jetzt gedacht werden muss: Frischwasser bunkern, Altöl abgeben, Benzin fürs Rettungsboot kaufen (wir haben ja einiges verbraucht). Bei der Passage des NOK werden zwei Crewmitglieder abmustern. Es muss die Heuerabrechnung gemacht werden, es müssen die Überstundennachweise geschrieben werden, die Flüge organisiert werden (das macht zwar das Büro, aber dazu müssen sie wissen, wann wir voraussichtlich in Kiel sein werden), Beurteilungen müssen geschrieben werden (wie denn, wenn ich sie nur 7 Tage lang gesehen habe) und  sie müssen natürlich ihre Aufgaben vernünftig an die Nachfolger übergeben und ihre Kammern sauber und ordentlich hinterlassen (auch das hat ein Kapitän zu überprüfen).  Dazu der Ladebetrieb, den zwar im Prinzip der Steuermann überwacht, aber der hat auch immer mal Fragen, bzw. der Kapitän sollte ein Auge drauf haben, damit es keine Überraschungen gibt. Zu allem Überfluss ist nicht genug Ladung da. Wir sollten 3300 t laden, es stehen aber nur 3108 t bereit. Der Eigner ist davon natürlich nicht begeistert und so muss ein Deadfreight Claim (eine Fehlfrachtforderung für den ungenutzten aber bereitgestellten Raum) gemacht werden. Das natürlich kurz vor dem Auslaufen.  Schliesslich ist auch das erledigt und wir legen ab. Leider ist die Ansteuerung auf dem Rückweg schwieriger, als auf dem Hinweg. Das Schiff ist beladen und manövriert daher träge, der Wind ist stärker und eine bösartige Kurve wird nur höchst unelegant mit Hilfe brachialer Maschinenmanöver bewältigt. Der Lack von Frau Kapitän bekommt erhebliche Kratzer, das Schiff bleibt unversehrt… Aber nun ist auch das hinter uns und wir streben gen Süden.

08.07.2013 – Mittelmeer

Wir fahren entlang der italienischen Küste von Genua nach Neapel. Auf dem Weg von Schweden nach Italien haben wir so ziemlich alles an Wetter mitgenommen, was das Fahrtgebiet zu bieten hat. Sturm und Regen gegen an haben uns so viel Verspätung eingebracht, dass wir nicht, wie erhofft, am Wochenende in Genua angekommen sind, sondern passgenau zum Löschen am Montag in den frühen Morgenstunden. Dann der übliche italienische Bürokratiemarathon. Ich habe bestimmt 200 Zettel unterschrieben und gestempelt. Nun also Neapel. Dort eine wahre Alptraumladung abholen: Müll für die Verbrennungsanlage in Delfzijl.

12.07.2013 – Neapel

Die wahren Herausforderungen als weiblicher Kapitän liegen oft an ganz unerwarteter Stelle. So zum Beispiel am Gate zu dem Terminal, an dem wir in Neapel liegen. Es ist 20:00 Uhr und ich komme vom Landgang zurück. Rechtzeitig, damit der Chiefmate auch noch an Land kann. Nur die Security des Terminals hat etwas dagegen. Ich stünde nicht auf der Besucher-Liste, wird mir dort mitgeteilt, als ich mich am Gate melde, um wieder an Bord zu gehen. Und wer nicht auf der Besucher-Liste steht, dürfe nicht durch. Ich erkläre freundlich, dass ich der Kapitän des Schiffes sei und kein Besucher. Nur der Wachmann am Gate spricht leider kaum Englisch. Ich versuche es mit ein paar Brocken Italienisch und viel Gestikulieren: „ Commandante – barca – MARC-ANDRÉ“. Sein Gesicht erhellt sich: „You wife of Captain? Call captain come to gate – then you can go in.” Ich versuche es noch einmal: “No, I am not wife of captain – I AM THE CAPTAIN!” Die Antwort ist frustrierend: “Oh, you girlfriend of captain – sorry, you not on visitor list…” Leider gehen weder mein Chiefmate (er steht schon landgangsfein an der Gangway und wundert sich, wo ich bleibe), noch der Agent ans Telefon, um mir weiter zu helfen. So muss ich schliesslich warten, bis am Gate Wachwechsel ist und ein weiterer Wachmann erscheint, der bereit ist, mich die 200 m bis zur Gangway zu begleiten, um die Sache vor Ort zu klären. An nächsten Tag geht dann alles glatt. Inzwischen hat sich im gesamten Hafen herumgesprochen, dass die MARC-ANDRÉ eine Frau Kapitän hat.

19.07.2013 – Biscaya

Wir laufen bei bestem Wetter nordwärts nach Delfzijl. Ich bin inzwischen etwas über einen Monat an Bord. Alles geht seinen Gang. Die Crew ist gut und willig und zieht bei der von mir ausgerufenen „Unser-Schiff-soll-schöner-werden-Aktion“ voll mit. So haben wir die Mittelmeerreise zu ausgiebigen Mal- und Putzarbeiten genutzt und der Dampfer sieht prima aus. Vor ein paar Tagen gab es ein kleineres Problem, das zum ersten Mal etwas kniffligere Entscheidungen von mir verlangte. Mitten im Mittelmeer, mitten in der Nacht, teilte mir der Chief Engineer mit, dass sein Steuerungscomputer für die Hauptmaschine abgestürzt sei und sich das Steuerungs- und Überwachungsprogramm für den gesamten Maschinenbetrieb nicht mehr starten lasse. Es liefe zwar alles, aber er hätte keinen Zugriff darauf und könne keinerlei Einstellungen oder Änderungen ausführen. Wir stoppen das Schiff erst mal auf, gehen auf Drift und dann verbringen Chief Engineer, Chiefmate und ich die halbe Nacht am Maschinenleitstand und versuchen es mit diversen Neustarts. Kein Erfolg. Den Support der Herstellerfirma oder auch nur einen Kollegen auf einem anderen Schiff der Reederei um Hilfe fragen können wir nicht, weil wir fernab von Land kein Handynetz haben und nachts auch niemand erreichbar wäre.  Also entscheiden zwischen weiter aufgestoppt driften und versuchen, das Problem gemeinsam in den Griff zu bekommen, was zu Verspätungen (=Kosten) führt, die man dann Eigner und Charterer erklären muss, oder die Reise fortsetzen, um in der Strasse von Gibraltar vielleicht Handyempfang zu haben und Hilfe zu bekommen. In solchen Momenten fühlt man sich unglaublich einsam und es wird einem bewusst, was es bedeutet, die Verantwortung für das Schiff übernommen zu haben. Ich entscheide mich, dass wir weiter fahren. Die Maschine läuft ja schließlich und die Parameter müssen dann eben auf traditionelle Weise vor Ort vom Chief Engineer gemessen und abgelesen werden. Das bedeutet im Klartext, dass er rund um die Uhr alle 2 Stunden aufstehen und eine Maschinenrunde machen muss. Am nächsten Tage dann mehrere – fruchtlose – Telefonate mit Kollegen und der Supporthotline. Ja, das Problem kenne man, es trete wohl öfters auf, aber wie man es löst, wisse man auch nicht.  Schließlich wagen Chiefmate und Chief Engineer nach der Passage der Strasse von Gibraltar noch einen weiteren Versuch, des Neustarts und finden tatsächlich die Stelle im Hochfahrprogramm, wo es hakt. Etwas später verkünden mir beide freudestrahlend, dass wieder alles in Ordnung ist. Erleichterung auf allen Seiten. Nun nur noch schnell eine E-mail an die Reederei, dass der bereits für Delfzijl georderte Techniker nicht mehr erforderlich ist.

Für Delfzijl ist wieder allerhand Aktion geplant. Zum einen sitzt dort der Charterer, die holländische Firma Wagenborg, zum anderen ist es ein Hafen, wo gut Crewwechsel durchgeführt werden können. So werden dort eine Kadettin und ein Passagier einsteigen. Wir werden also mit 8 Leuten weiter fahren. Es muss zusätzlicher Proviant genommen werden. Die Frischwassertanks müssen aufgefüllt werden. Treibstoff muss gebunkert werden. Diverse kleinere Reparaturen müssen durchgeführt werden. Und dann muss natürlich die Ladung gelöscht und der Laderaum gereinigt und für die nächste Ladung vorbereitet werden. Letzteres ist diesmal besonders unangenehm, denn wir haben ja Müll geladen. Das heißt, wenn alle Ladung draußen ist, muss der Raum mit scharfen Reinigungsmitteln gewaschen und desinfiziert werden, denn es kann durchaus sein, dass wir auf der nächsten Reise wieder Getreide oder Futtermittel laden. Und selbst wenn nicht, dann gilt doch immer die Regel, dass der Laderaum sauber, trocken und geruchsfrei zu sein hat.

21.09.2013 – Kokkola /Finnland

Zwei arbeitsreiche Monate liegen hinter uns. Von Delfzijl aus ging es erst einmal nach Norwegen, dann nach Russland, Schweden, Belgien, Holland, Polen, Irland, wieder Holland, Dänemark, Lettland und nun schliesslich Finnland. Kaum mal eine Nacht über im Hafen. Meist ankommen – Ladebetrieb – Abfahrt. Ein Auftrag jagt den nächsten. Durch die vielen An- und Ablegemanöver fällt das Manövrieren immer leichter und ich laufe nun alle diejenigen Häfen, wo es erlaubt ist, ohne Lotsen an. Besondere Freude macht das dann, wenn die Reise in einen deutschen Hafen geht. Einmal laden wir sogar in Rostock. Stolz geschwellter Brust teile ich der Verkehrszentrale Warnemünde mit, dass ich keinen Lotsen benötige, nur um wenige Minuten später vom Agenten zu erfahren, dass mein geplanter Liegeplatz nicht frei sei, sie aber einen Warteplatz zwischen zwei anderen Schiffen für mich frei gemacht hätten. 120 m Pierlänge hätte ich, um mein 90 m langes Schiff dort „einzuparken“… Aber man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben und so gelingt dieses Manöver am Ende ganz wunderbar.

In Irland hatten wir dann eine Port State Control. Jeder Hafenstaat hat das Recht, die Schiffe, die seine Häfen anlaufen, unangemeldet auf alle sicherheitsrelevanten Aspekte zu kontrollieren. Und so bekommen wir in Greenore dann auch Besuch von einem solchen Inspektor. Er hält die gesamte Crew 5 Stunden sowohl von ihrer eigentlichen Arbeit – der Überwachung des Ladebetriebs – als auch von ihren wohlverdienten Ruhepausen ab. Letzteres ist besonders fatal, da wir ein sogenanntes Zweiwachenschiff sind. Das ist ein Schiff, das nur Kapitän und Chiefmate hat, die abwechselnd die Wachen gehen, also das Schiff fahren – jeweils 6 Stunden mit 6 Stunden Pause danach. Fallen diese Pausen weg, kommt man schnell auf einen 24-Stunden Arbeitstag, nach dem man dann seine nächste 6-stündige Nachtwache antreten muss. Ankern hilft nicht, denn dann müssten Kapitän und Chiefmate ja immer noch ihre Ankerwachen gehen. Nur wenn das Schiff an der Pier liegt und kein Ladebetrieb herrscht, muss kein Nautiker auf der Brücke sein und beide können mal eine Nacht durchschlafen.

Ich habe inzwischen einen neuen Chiefmate. Nachdem bereits vor einigen Wochen ein Ablöser für meinen Chiefmate Tino an Bord kam, dann aber nach zwei Wochen das Schiff wieder verließ, weil er der Aufgabe doch noch nicht gewachsen war, haben wir nun Sven-Ole. Er kommt frisch von der Seefahrtschule und schlägt sich wacker. Der Job des Steuermannes auf einem Kümo ist nicht leicht. Es gibt viele verschiedene Aufgaben und Zuständigkeiten, wie Ladungsplanung, Navigation, Planung der Sicherheitsübungen, Wartung der Sicherheitsausrüstung, Planung der Decksarbeiten, Sauberhalten der Brücke, Korrigieren der Seehandbücher, Planen und Überwachen der Arbeitszeiten der Crew, … Klar, der Kapitän unterstützt dabei und übernimmt auch schon mal die eine oder andere Sache. Aber er hat ja auch seinen eigenen Job zu tun.

Nun ist dies auch schon wieder fast einen Monat her und wir sind also in Kokkola und sollen hier Chemikalien für Tarragona laden. Es geht also wieder ins Mittelmeer. 14 Tage Seetörn hin und dann eine andere Ladung nehmen und wieder 14 Tage zurück nach Norden. Und dann – so ist jedenfalls der Plan – Urlaub. Die Ladungsplanung ist diesmal etwas kompliziert, da die Chemikalien in Säcken auf Paletten geladen werden, darauf sollen dann noch 2 Lagen sogenannte Big Bags, also große Säcke zu je 1 t. Die große Frage ist: wieviel passt in den Laderaum rein – kann also ab Werk geordert werden – und wie staut man das am geschicktesten, damit es durch die im Atlantik zu erwartenden Schiffsbewegungen zu keinen Ladungsschäden kommt. Gemeinsam mit dem Chiefmate rechne ich diverse Varianten aus, bis wir der Meinung sind, die beste gefunden zu haben. Nach 2 ½ Tagen Ladezeit geht es dann Richtung Süden. Hier in Kokkola hat es bereits Nachtfrost. In Spanien hoffen wir noch auf sommerliche Temperaturen.

Auf der Reise mal wieder alle Wetter. Vor allem die gefürchtete Biscaya zeigt mal wieder ihre Zähne. Der Wind kommt schräg von vorne, die Wellen aus 3 verschiedenen Richtungen. Das Schiff rollt und stampft und wir machen nur noch 5 Knoten Fahrt und selbst die meist in die falsche Richtung. Aber kurz vor Gibraltar bessert sich das Wetter und wir passieren die Strasse von Gibraltar im strahlenden Sonnenschein. Ich liege auf dem Bootsdeck in meiner Hängematte und sehe den uns begleitenden Walen und Delfinen zu.

In Tarragona wechselt der Koch. Unsere Ghanaischen Crewmitglieder bleiben jeweils 8-9 Monate an Bord bevor sie wieder Urlaub haben. Manchmal verlängern sie den Einsatz dann noch. Dazu kommt noch die Problematik der Trampfahrt mit ihrem nicht feststehenden Fahrplan und den nicht voraussehbaren nächsten Häfen. So kann es dann schon mal kommen, dass es dann noch einen Monat dauert, bis endlich der Ablöser an der Gangway steht. So auch bei Koch Benjamin, der nun nach fast 11 Monaten an Bord endlich nach Hause fliegt. Wir alle sehen der Ablösung freudig entgegen, denn Benjamins Kochrepertoire kennen wir nun zur Genüge und hoffen, dass sein Ablöser ein paar neue Ideen mitbringt. Der Koch untersteht an Bord direkt dem Kapitän. Jeden Sonntag kommt er zur Brücke und legt seinen Vorschlag für den Speiseplan der nächsten Woche vor. Es gibt gute Köche, bei denen man nur einen kurzen Blick darauf wirft und das Ganze dann absegnet. Es gibt aber auch solche, die jeden dritten Tag dasselbe kochen und am liebsten nur die Dinge, die einfach herzustellen sind, wie Pommes, Tiefkühlpizza, Bratwurst… Da muss der Kapitän dann seine Freiwache Sonntagnachmittag damit verbringen, in der Proviantlast nachzuschauen, was noch da ist und welche Sachen demnächst ablaufen, und dann selbst einen Speiseplan für die nächste Woche erstellen. Bei der Gelegenheit wird dann auch gleich mal die Sauberkeit in Kombüse, Proviantlast und Messe überprüft und überlegt, wann die nächste Proviantbestellung gemacht werden muss und was da so gebraucht wird. Einmal im Monat gibt es dann die große Runde: es werden alle Kammern und alle öffentlichen Bereiche des Schiffes kontrolliert, ob alles funktioniert und vollständig ist, ob es sauber und ordentlich ist und ob vielleicht irgendetwas gebraucht wird oder erneuert werden muss.

22.10.2013 – La Huelva / Spanien

Endlich wieder Ladung. Zwei Wochen sind wir an der spanischen Küste entlang gedümpelt, bis es unserem Befrachter gelungen ist, wieder eine einträgliche Ladung Richtung Norden zu ergattern. Wartezeiten zwischen den Ladungen sind in der Trampfahrt normal. Im Moment ist es aber extrem. Die Seefahrt steckt in einer tiefen Krise und hier im Mittelmeer gibt es kaum noch etwas zu fahren. Es gibt zwar Ladung, aber die Frachtraten sind so niedrig, dass teilweise nicht einmal die laufenden Kosten gedeckt werden und es dann günstiger ist, das Schiff einige Tage untätig ankern oder treiben zu lassen, bis sich etwas besser bezahltes findet. So hatten wir nach dem Löschen der Ladung Tarragona verlassen und waren in der Nähe von Valencia vor Anker gegangen, um auf neue Order zu warten. Da dies aber eine touristische Region ist, und die Leute dort am Strand nicht dauerhaft auf wartende Frachter gucken wollen, wurden wir nach ein paar Tagen freundlich aber bestimmt aufgefordert, in internationale Gewässer zu gehen, oder aber einen Hafen anzulaufen. So hievten wir also Anker und fuhren in Schleichfahrt (sogenannter Öko-Speed) in Richtung Gibraltar, um in Ceuta zu bunkern. Dann wurde die Ladung aus Huelva abgeschlossen und wir hatten endlich wieder ein Ziel. Nach einigen Tagen ankern vor Huelva liegen wir nun an der Pier in unmittelbarer Nähe der Altstadt und laden Zellulose für Rouen. So schön es auch im  Mittelmeer ist, Untätigkeit zerrt an den Nerven aller und so sind wir froh, dass wir wieder weiter fahren.

29.10.2013 – Rouen / Frankreich

Was für eine Überfahrt von Huelva hierher. Praktisch die gesamte Zeit Starkwind und dann noch ein richtiger Orkan. Zum Glück kamen Wind und See die gesamte Zeit von schräg achtern, so dass das Schiff zwar heftig rollt, aber wenigstens gut voran kommt und sich nicht feststampft. Bei Finisterre kommt uns die „ANDRE W“ entgegen. Auch sie hatten von Schweden kommend nur schlechtes Wetter gehabt erkämpfen sich ihren Weg nach Italien. Ein Tiefdruckgebiet jagt das andere. Ich studiere Seehandbücher und Karten, um Möglichkeiten zum Abwettern zu finden. Als wir in der Mitte der Biscaya sind kommt dann über Funk die Warnung, dass ein sehr schwerer Sturm aus dem Nordatlantik direkt auf uns zu hält. Nun gilt es zu entscheiden, ob wir es noch vor dem Sturm um das Kap von Ushant herum schaffen und uns dann Landschutz suchen können, oder ob wir besser nach Brest in den Hafen gehen und dort abwarten. Ich entscheide mich für die erste Variante, denn wenn die Vorhersage stimmt, dann würden wir das Kap etwa 12 Stunden vor dem Sturm passieren und hätten dann gute Landabdeckung vor der nördlichen Küste Frankreichs. So gehen wir dann auch gleich nach dem Passieren des Zwangsweges bei Ushant so dicht an die Küste, wie es sicher ist und fahren dort ganz langsam entlang, so dass der Orkan uns überholen kann. An Bord messen wir Wind bis zu 60 Knoten, aber dank der Luvküste ist der Seegang erträglich. Erst kurz vor den Kanalinseln wenden wir uns dann wieder nach Norden, um auf dem normalen Weg Richtung Rouen weiter zu fahren. Ein Fahrt zwischen den Kanalinseln direkt zum Cap de la Hague wäre normalerweise zwar möglich, aber bei diesen Wetterverhältnissen und insbesondere bei Nacht nicht empfehlenswert gewesen.

Am späten Vormittag kommt dann der Lotse an Bord für die schöne Fahrt die Seine hoch nach Rouen. Ich habe keine Zeit, die Flussfahrt zu genießen. Während der Steuermann mit dem Lotsen auf der Brücke ist, räume ich meine Kammer auf. Während des Sturms ist ziemlich viel durch die Gegend geflogen. Dann packe ich meine Sachen und schreibe mein Übergabeprotokoll. In Rouen kommt mein Ablöser an Bord und ich gehe für 2 Monate in Urlaub.