Auf Feederfahrt
mit einem
Containerschiff auf Nord- und Ostsee
Im Juli 2005 wurde es nun langsam ernst mit meinem Nautikstudium. Gerade aus England zurück gekommen, wo ich auf verschiedenen Rahseglern gejobbt hatte, lag nun die Studienplatzbestätigung vor mir. Ende September sollte es in Warnemünde am Fachbereich Seefahrt losgehen. Doch bis dahin waren ja noch etwas mehr als 2 Monate Zeit. Zeit, die ich nutzen wollte, um die "wirkliche Seefahrt", also nicht die Scheinwelt Segelschulschiff, sondern die moderne Handelsschifffahrt, kennen zu lernen und vor allem etwas Praxis im Umgang mit Ladung zu bekommen.
Nach einem Telefonat mit der Heuerstelle Hamburg ging es dann auf einmal ganz schnell und nur wenige Stunden später saß ich im Zug nach Kiel. In den frühen Morgenstunden sollte ich in der Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals als wachbefähigter Schiffsmann (früher hieß das "Matrose") auf einem Schiff mit Namen CONTAINERSHIPS VI einsteigen.
Ein wenig mulmig war mir schon als ich dann vom Taxifahrer an der Seemannsmission an der Südschleuse abgesetzt wurde. Hoffentlich verpasste ich mein Schiff nicht. Ein Anruf an Bord hatte ergeben, dass sie bereits irgendwo im Kanal unterwegs waren und so in 3 Stunden in die Schleuse kommen würden. Die freundliche Dame in der Seemannsmission hilft. Nicht nur, dass ich auf dem Sofa noch ein wenig schlafen kann, nein sie findet auch die genaue Ankunftszeit meines Schiffes heraus und weckt mich rechtzeitig.
Um 4:30 Uhr ist es dann so weit. "Mein" Schiff kommt in die Schleuse. Ich schultere meinen Seesack und mache mich auf den Weg zur Mittelmauer, wo sie festmachen wird. Über eine Hühnerleiter geht es an Bord. Der 1. Offizier schickt mich sofort auf die Brücke, wo ich mit meinem Seefahrtbuch angemustert werden soll. Puh, der Weg nach oben nimmt überhaupt kein Ende. 1. Deck, A-Deck, B-Deck, C-Deck, D-Deck, E-Deck und endlich auf dem F-Deck die Tür zur Brücke. Ich öffne die Tür und staune erst mal. Hier braucht man ja Rollschuhe von einer Seite zur anderen, denke ich. Nur an die winzigen Kartenhäuser der Großsegler gewöhnt erscheint mir diese Brücke riesig.
Ich gebe mein Seefahrtbuch ab und unterschreibe die Musterrolle. Nun bin ich ordentliches Crewmitglied. Danach bekomme ich vom Ersten meine Kammer zugeteilt. Eine Kammer für mich ganz alleine mit eigenem Bad. Das erscheint mir geradezu luxuriös. Hatte ich doch die letzten Wochen in einer Art begehbarem Schrank zugebracht, den ich mir noch mit einer anderen Deckhand teilen musste. Als ich erfahre, dass ich bis zum Einlaufen in Arhus - so gegen Mittag - schlafen darf, ist mein Glück perfekt. Da stören auch der Motorenlärm (ich wohne direkt über der Hauptmaschine) und die ungewohnte Umgebung nicht.
6 Stunden später klingelt das Telefon. Ich soll Mittagessen gehen und mich dann beim Schiffsmechaniker auf der achteren Manöverstation melden. Im Unterdeck gibt es zwei Messen - eine für die Offiziere und eventuelle Passagiere und die andere für die Mannschaft. Dort lerne ich die anderen Crewmitglieder kennen. Es hat Alex, den Schiffsmechaniker, Tudor und Gazi, zwei rumänische AB's und die Schiffsmechaniker-Azubis Kunze, Markus und Leif, sowie den Praktikanten Billy. Unser Koch heißt Balthazar und kommt von den Kapverdischen Inseln. Ich bin überrascht, wie gut er deutsch spricht. Mit Tudor und Gazi läuft die Verständigung auf Englisch.
Nach dem Essen dann Einlaufen in Arhus. Ich kenne den Hafen von einem Besuch mit der MIR vor 6 Jahren. Damals lagen wir im Stadthafen. Diesmal machen wir am Containerterminal fest. Markus, Leif und Billy haben Landgang bewilligt bekommen. Da sie von den blonden Däninnen völlig begeistert sind, ziehen sie gleich nach dem Anlegen in Richtung Stadt los. Gazi riggt sich achtern eine Stelling, um den Schiffsnamen nachzuziehen. Tudor und ich machen uns mit einem Eimer Mennige über abgeschabte Stellen und Rostnasen an der landseitigen Bordwand her. Kunze hat Ladewache. So vergeht der Nachmittag und noch vor dem Abendessen heißt es wieder "Leinen los!" und es geht weiter Richtung Kronstadt (St. Petersburg). In ca. 36 Stunden sollen wir dort sein. Für mich unglaublich - rechne ich doch schließlich immer noch mit der durchschnittlichen Geschwindigkeit eines Segelschiffes, die bei etwa 5 Knoten liegt. Die CONTAINERSHIPS VI hingegen läuft 21 Knoten.
Außer den üblichen Maintenance-Arbeiten und Ladungsarbeiten gibt es für mich noch eine weitere regelmäßige Aufgabe an Bord. Ich bin als "Watchkeeper" eingeteilt und soll im Wechsel mit Markus die Nachtwachen zusammen mit dem 2. Offizier gehen. Unsere Hauptaufgabe dort ist es, Ausguck zu gehen. Wenn jedoch nicht so viel Verkehr ist, soll uns Sven, der als 2. Offizier auch Ausbildungsoffizier ist, ein wenig "was beibringen", z.B. Radarplotten, Wetterbeobachtung, Kartenarbeit, aber auch Rudergehen, Lichterführung, Kollisionsverhütungsregeln. Darüber hinaus gibt es dann noch ein paar kleine Jobs wie Fenster abspritzen, Papierkörbe entleeren und Kaffee kochen. Alles in Allem sehr angenehme Tätigkeiten, die vor Allem deshalb Spaß machen, weil Sven ein netter ist, mit dem man sich auch mal privat unterhalten kann. Er hat selber gerade erst Patent gemacht und es ist seine erste Reise als Wachoffizier. So kann er sich noch sehr gut an seine eigene Ausbildung als Schiffsmechaniker und an sein Nautikstudium erinnern und uns wertvolle Tipps geben. Die Zeit auf der Brücke vergeht oft wie im Fluge.
Kronstadt ist eine ehemalige Festung, die auf einer St. Petersburg vorgelagerten Insel liegt. Früher war das hier Sperrgebiet und nur für Marineangehörige zugänglich. Heutzutage verbindet ein Damm Kronstadt mit dem Festland. Ein weiterer Damm mit Schleuse war ursprünglich geplant. Das Projekt ist aber nie fertiggestellt worden und die Bauteile davon verrotten jetzt am Strand vor sich hin. Vor ihnen sind etliche mehr oder weniger seetaugliche Boote festgemacht, auf denen einige Leute mehr oder weniger eifrig herumbasteln. Daneben unser Terminal. Da der Terminal etwa 20m zu kurz für unser Schiff ist, geht das Anlegen hier nicht nach dem üblichen Schema. Anders als sonst geht hier zuerst die Spring an Land und dann müssen wir warten, bis jemand von den Festmachern mit dem Auto aus dem Terminal heraus und ganz drum herum gefahren und über ein paar Trümmer geklettert ist, um auch die Achterleine anzunehmen. Schließlich muss noch die Gangway zwischen einen Stromverteilerkasten, eine Bude mit Überwachungskamera und einige Pöller platziert werden (das ist Millimeterarbeit) und dann warten wir auf die Immigration. Als diese nach 1/2 Stunde mit etlichen Geschenken beladen wieder von Bord geht, können wir mit dem Entladen beginnen.
Mein Job in Kronstadt ist Gangwaywache. Alle 6 Stunden stehe ich mir für 6 Stunden an der Gangway die Füße platt. Dank ISPS muss jederzeit jemand an der Gangway stehen und genau aufschreiben wer wann wie lange an oder von Bord geht. Ein öder Job. Lesen darf man nicht dabei und Walkman ist auch verboten. Da keine Terroristen kommen, wehre ich in erster Linie die in Kronstadt sehr zahlreichen Mücken ab. Aber 6 Stunden gehen auch mal vorbei und als Markus mich ablösen kommt, nutze ich die Freizeit zu einem Landgang. Als Seeleute brauchen wir kein Visum für Russland, sondern können mit dem Seefahrtbuch einreisen. Die nette Dame bei der Grenzkontrolle erzählt mir gleich noch, mit welchem Bus oder Sammeltaxi ich in die Stadt komme und so sitze ich bald darauf in einem Biergarten und schaue bei einem kühlen Blonden den Kindern zu, die an einem Springbrunnen spielen. Es ist noch die Zeit der "Weißen Nächte" und so ist es, obschon nach Mitternacht nicht vollkommen dunkel und der Platz ist belebt wie am hellen Tage. Schließlich ist es Zeit zurück zu kehren, denn bald schon beginnt meine nächste Gangwaywache...
Von Kronstadt aus geht es nach Tilbury, dem Hafen von London. 3 Seetage - wunderbar. Enrico, unser 1. Offizier freut sich. Er möchte die Cellguides an der Vorkante des Deckshauses neu gemalt haben und hofft, dass wir ordentlich was schaffen. Dem ist leider nicht so, denn man kommt an viele Stellen nur schlecht ran und wir können auch nicht immer mit dem geeigneten Gerät arbeiten. Rosthammer und Rostnagler sind vormittags bis 10 Uhr verboten, weil die Nachtwächter, also der 2. Offizier und sein Ausguck, die von Mitternacht bis 4 Uhr auf Wache waren, dann noch schlafen. Nach dem Mittagessen aber schläft der Kapitän. So bleiben netto nur die Zeit von 10-12 und 15 bis 17 Uhr, aber da regnet es meist.
Oder aber es ist Manöver angesagt. Fast jede Woche gibt es 1-2 Drills. Meistens werden sie vormittags abgehalten. Sven ist für die Planung und Durchführung zuständig. Diesmal sind eine Brandabwehrübung, das Abbergen einer verletzten Person und ein Bootsmanöver angesagt. Alex und ich sind als Einsatztrupp mit Atemschutzgerät in den Aufbauten auf der Suche nach Billy, der nicht am Sammelplatz erschienen war. Wir finden ihn in seiner "brennenden" Kammer "bewusstlos" und müssen ihn nach draußen schaffen, wo die anderen ihn medizinisch versorgen während wir den "Brand" bekämpfen. Das Atemschutzgerät ist etwas anders als im Basic-Kurs, die Kommunikation klappt auch nicht gleich und beim Abbergen stolpern wir über die Sicherheitsleine. Das wird wohl demnächst noch mal geübt werden müssen. Das sieht Sven bei der Nachbesprechung auch so. Aber dafür sind Drills ja da - zum Üben. Damit's im Ernstfall dann hoffentlich besser klappt.
Wir sind früher in Tilbury als geplant. Dies gibt uns Gelegenheit, das Floß zu Wasser zu lassen und das Schiff, das in Ballast fährt und hoch aus dem Wasser schaut unterhalb der Wasserlinie zu malen. Von Bord zum Floß geht es über die "Knochenleiter", eine leichte Strickleiter, die achtern von Deck hinab gelassen wird. Das Klettern darauf ist nicht ganz einfach und so verzichten Markus und ich diesmal auf die Kaffeepause und bleiben lieber unten als für eine Tasse Kaffee nach oben zu klettern und 20 Minuten später wieder zurück. Alex erweist sich als kollegial und lässt uns eine Thermoskanne Kaffee und zwei Becker mit der Pütz nach unten. 3 Cheers für unseren Schiffsmechaniker!
Am Abend gibt es dann Gelegenheit zum Landgang. Da das Gate aber um 22:30 Uhr schließt, lohnt es sich nicht, nach London zu fahren. Da es in Tilbury aber nichts interessantes gibt, holen wir uns nur ein paar Bier im Supermarkt und setzen uns auf eine Wiese. Ich erstehe noch einen Klappstuhl - für die Gangwaywachen!
Von Tilbury geht es nach Teesport und Rotterdam. In beiden Häfen können wir keinen Fuß an Land setzen. Die gesamte Crew ist beinahe rund um die Uhr im Einsatz und nutzt die wenigen Pausen um den nötigen Schlaf zu finden. Ich werde in die Tätigkeiten der Ladewache eingearbeitet. Geduldig erklärt mir Gazi, was ich zu tun habe und schaut mir dabei immer wieder über die Schulter, ob ich's richtig mache und ob ich klar komme. Es wird hier mit zwei Gantries gearbeitet und so ist jeder von uns einem Gantry zugeteilt. Unser Job besteht darin, zu überprüfen ob die Container gemäß des Ladeplanes an Bord gesetzt werden, die Luken zu öffnen und zu schließen, die Staustücke und Twistlocks zu setzen und die Laschings anzubringen. Manchmal - z.B. wenn 40-Füßer im Raum verladen werden - steht man nur dabei und macht Notizen auf dem Papier. Etwas später dann kommt man gewaltig ins Rotieren, weil man möglichst alles gleichzeitig machen soll. In Rotterdam stellen sie teilweise pro Gantry alle 2 Minuten einen Container an Deck und wenn man dann noch Reefer anschließen muss, Twistlocks setzen und die nächste Luke vorbereiten soll, hat man heftig zu tun. Am Ende des Beladens dann das allseits beliebte Laschen. Die Container werden mit langen Stangen und Spannschrauben am Deck arretiert. Wir machen das nach dem Ablegen während der Revierfahrt. Bis zum Erreichen der offenen See muss alles seeklar gesichert sein.
Von Rotterdam aus geht es wieder nach Kronstadt. Durch den Nord-Ostsee-Kanal schaffen wir das in 2 1/2 Tagen. Unterwegs ist diesmal ein Grillabend geplant. Eine schöne Abwechselung im Bordalltag. Achtern wird ein Holzkohlengrill aufgebaut und Balthazar brutzelt Würstchen und Steaks. Dazu gibt es Bier, das unsere Passagiere gespendet haben. Wir haben diesmal 2 Passagiere dabei. Über eine Agentur kann man die Fahrt auf unserem Schiff buchen. Die CONTAINERSHIPS VI ist bei den Passagieren sehr beliebt, weil die Crew bis auf wenige Ausnahmen aus Deutschen besteht und die Bordsprache Deutsch ist. Das ist heutzutage selten geworden. Die zunehmende Globalisierung hat dazu geführt, dass viele Reedereien in der Hauptsache Seeleute aus Billiglohnländern beschäftigen und oft ausgeflaggt, also unter einer Billigflagge, gefahren wird. Nicht so hier. Bei uns hängt der "Adenauer" am Flaggstock und es wird nicht nur deutsch gesprochen, sondern es gelten auch deutsches Recht, deutsche Tarifverträge und soziale Absicherung. Für viele von der Crew ein guter Grund gerade hier zu fahren.
Von Kronstadt aus geht es nach Helsinki. Die Stadt bietet uns eine wunderschöne Kulisse und die Ansteuerung zwischen all den vorgelagerten Inseln ist sehr romantisch. Leider sehen wir nicht mehr von der Stadt, denn bei Liegezeiten von 2 Stunden gibt es für niemand Landgang. Weiter geht es nach Arhus und erneut nach Teesport. Schlecht Wetter ist angesagt. Ein Sturmtief über Schottland, das wir wohl genau auf der Nordsee treffen werden. Und richtig. Kurz hinter Skagen geht der Zauber los. Die See kommt dwars und unser nur mit leeren Containern beladenes Schiff rollt stark. Billy ist seekrank. Uns andern geht es gut, doch dann serviert der Koch Eisbein mit Sauerkraut. Wir leiden an kollektiver Appetitlosigkeit. Als besonderes Extra hat sich Enrico, unser Chief Mate dann ein paar k.o.-Jobs für uns ausgedacht. Tudor und Gazi sollen das Kabelgatt entrosten. Ich soll im Vorschiff die Rückwand eines Regals reinigen. Dazu muss ich ganz in dieses Regal hinein kriechen und dann z.T. über Kopf mit Salmiakgeist arbeiten. Ich bin hart an der Grenze zur Übelkeit als Enrico die Aktion abbricht und ich wieder an die frische Luft zurückkehren kann. Gazi hat es voll erwischt. Erst das behaarte Eisbein und dann das Kabelgatt waren selbst für den langjährigen Seemann zu viel. Er schwört, demnächst nur noch auf großen Schiffen (die nicht so viel schaukeln) zu arbeiten und verholt sich für den Rest des Tages auf Kammer.
Von Teesport geht es nach Rotterdam, Arhus, Helsinki, Kronstadt, Teesport, Kronstadt, Helsinki und schließlich nach Hamburg. Wir sind inzwischen nur noch 13. Kunze war bereits beim letzten Mal Nord-Ostsee-Kanal ausgestiegen. Er muss wieder zur Schule und wird dann im Herbst seine Abschlussprüfung machen. Billy steigt in Hamburg aus. Sein Praktikum ist beendet. Er wird aber als Azubi von der Reederei übernommen und daher bald wieder an Bord einsteigen. Vorher aber muss er den ersten Schulblock und den Basic Safety Kurs machen. Hamburg ist unser Heimathafen. So finden dort meistens die Crewwechsel statt. Auch alles mögliche andere wird in Hamburg erledigt, wie Verproviantierung und Kraftstoff bunkern. Für die Crew ist Hamburg ein arbeitsreicher Hafen. An Landgang ist nicht zu denken. Lohnt sich auch nicht, denn vom Burchardkai, wo wir liegen, bis in die Innenstadt ist es weit und eine Strecke mit dem Taxi kostet ca. 35 €. Öffentliche Transportmittel gibt es kaum.
Unsere Route hat sich geändert. Wir fahren jetzt nur noch Hamburg - Arhus - Kronstadt - Hamburg. Auch gut. Letztendlich ist es egal, wo wir hinfahren. Containerterminals ähneln sich alle, ob es in Russland oder Timbuktu ist. Durch die nun regelmäßige Abfolge der Häfen kommt eine gewisse Routine an Bord. Das Fahren wird deutlich entspannter. Beim nächsten Anlauf von Hamburg werden unser Kapitän und unser Chief Mate abgelöst. Dieter, der neue Chief Mate bringt seinen Hund mit. Husky-Hündin Candy ist sofort der Star bei der gesamten Mannschaft. Mir leistet sie oft bei meinen Gangwaywachen Gesellschaft.
Als wir das nächste Mal nach Hamburg kommen, werden Alex und Sven abgelöst. Auch meine zwei Monate an Bord sind fast herum. Noch ein Rundtörn und dann heißt es auch für mich "Rolling Home". Das Fazit von 2 Monaten Containerschifffahrt ist sehr positiv. Ich habe viel gelernt. Ich konnte aber auch viel von dem, was ich auf den Seglern gelernt habe, anwenden. Die Arbeit an Bord eines Feederschiffes ist hart - ohne Frage. Und wir hatten Sommer. Wie mag das erst im Winter sein, wenn der Finnische Meerbusen zugefroren ist und das Deck von Schnee und Eis bedeckt ist? Die Kameradschaft an Bord ist genauso gut wie auf dem Segler. Was mir fehlt, ist die Teamarbeit. Auf dem Frachter ist man heute meist "Einzelkämpfer", denn die Crews sind klein und vielfach übernehmen Maschinen die Arbeit, die früher Matrosen gemacht haben. Eine Festmacherleine, die früher von 3 Mann an Deck gehievt wurde, wird heute von einem Mann und der Winsch geholt. Der Rudergänger wird vom Autopiloten ersetzt und die Arbeit des Funkers macht der Nautiker "so nebenbei" mit. Und dies sind nur einige Beispiele. Anderes ist gleich geblieben. Wie vor 100 Jahren besteht die Matrosenarbeit zu einem großen Teil aus dem Kampf gegen Rost und Dreck, sprich Rost klopfen, malen und putzen.
Und als Frau in diesem Männerjob? Da bekommt man alle möglichen Reaktionen von den männlichen Kollegen. Da gibt es viele, die damit ganz unverkrampft umgehen und es einfach akzeptieren, dass es eine Decksfrau gibt. Da gibt es aber auch andere, die permanent nölen, wenn frau z.B. die langen Laschstangen nicht bewältigen kann oder bei anderen Jobs, wo es um pure Körperkraft geht, nicht dieselbe Leistung bringt. Auch ist es wohl für die Vorgesetzten nicht immer einfach. Anerzogenes gutes Benehmen Frauen gegenüber behindert so manchen gerechtfertigten Anschiss.
Wieder laufen wir in Hamburg ein. Mein Seesack ist gepackt. Eine Freundin holt mich ab. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehe ich von Bord. So ein Schiff wird ja irgendwie doch immer zur Heimat und wenn man so ganz ohne Wehmut von Bord geht, dann stimmte was nicht. Das lachende Auge jedoch blickt nach vorne, denn bereits in ein paar Tagen geht es los mit dem Studium und den damit verbundenen Herausforderungen. Und wer weiß, vielleicht komme ich ja in den Semesterferien oder später als 2. Offizier einmal wieder hierher.
Abmessungen CONTAINERSHIPS VI:
Länge
über alles:
154 m
Breite:
21 m
Seitenhöhe:
12 m
max.
Tiefgang:
9 m
Bruttoraumzahl: 9950
BRZ
Ladekapazität:
966 teu
PS: Im Februar 2006 war ich erneut auf einem Schiff derselben Reederei unterwegs. Diesmal ging die Fahrt über die zugefrorene Ostsee. Siehe Fotoseite "Auf Eisfahrt mit CONTAINERSHIPS V"
B. Beuse, 2006